Kramminger Egon

Oberösterreich, Austria

Aktuelles Interview mit Egon Kramminger
Träger des Goldenen Verdienstzeichens der Republik Österreich
(Bericht von Manfred Schweizer, Obmann des Verbandes der Querschnittgelähmten Österreich)

Manfred Schweizer: Ich treffe Egon im Rahmen der INTEGRA
in Wels. Egon ist schon seit 50 Jahren Mitglied des VQÖ. Auf
die Frage: „Wie geht es dir?“, kommt die prompte Antwort:
“Mit geht es ausgezeichnet!“ Mit seinen 70 Jahren schaut er
gut aus und strahlt voll Energie und Zuversicht. Man merkt
ihm die Lebensfreude in seinen blauen Augen an. Egon, seit
wann bist du auf den Rollstuhl angewiesen und warum?
Egon Kramminger: Ich hatte am 9. September 1967 in
Deutschland einen Autounfall, verursacht durch einen
Sekundenschlaf. Ich hatte damals als Fleischhauer gearbeitet,
doch leider wurde der Unfall durch verschiedene
Umstände nicht als Arbeitsunfall gewertet. Die Erstversorgung
fand im dem Unfallort nahe gelegenen Krankenhaus
in Bietigheim (Kreis Ludwigsburg) und die Rehabilitation
im RZ Tübingen statt. Mehr als 150 Operationen habe ich
innerhalb von acht Jahren in den verschiedensten Krankenhäusern
hinter mich gebracht. Durch die vielen Decubitalgeschwüre
musste 1972 im UKH Linz ein Bein amputiert
werden und das zweite 1988. Meine Mitgliedschaft zum
VQÖ habe ich im RZ Tübingen 1968 unterschrieben.
Manfred Schweizer: Wie hast du zu deiner Lebensfreude gefunden?
Egon Kramminger: Dieses Highlight verdanke ich meiner lieben Frau Veronika. Ich habe sie
1988 im Krankenhaus, wo sie als Krankenschwester arbeitete, kennen und lieben gelernt.
Sie hat mich mit ihrer Engelsgeduld, ihrem Optimismus, ihrer guten Pflege und ihrer aufheiternden
Art in die positive Lebenseinstellung zurück geführt.
Vor dem Unfall hatte ich den riesengroßen Wunsch, einmal auf die Malediven zu fahren.
Nun als Rollifahrer habe ich mir das nicht mehr zugetraut und auch nicht vorstellen können.
Durch Veronikas gute Pflege bin ich seit 1992 „decu-frei“ und der Wunsch, die Malediven
zu erleben, ist bereits 1989 Wirklichkeit geworden.
Manfred Schweizer: Hast du vor dem Unfall schon Tischtennis gespielt?
Egon Kramminger: Nein. Vor dem Unfall war ich begeisterter Fußballer. Ich habe im Verein
St. Valentin und in Stuttgart gespielt. Im RZ-Tübingen habe ich 1968 im Rahmen der
Sporttherapie Tischtennis spielen gelernt. Unter anderem war dort der Leobener Raimund
Petretto einer meiner Physiotherapeuten. Ein japanischer Arzt hatte am Wochenende
immer mit mir gespielt und dabei wurde mein Ehrgeiz geweckt. Dies war der Beginn meiner
TT-Karriere.

Meine Mentoren nach der gelungenen Rehabilitation waren Telsnig, Eggerstorfer und
Grillnberger. 1973 war ich bei den internationalen Meisterschaften in Brüssel als Rollisportler
unterwegs
Meine Erfolge:
Etwa 25 – 30 Mal Staatsmeister (Einzel und Doppel), 1 Mal Europameister (1995), 5 x EM
Silber, 6x EM Bronze, 1x Vize-Weltmeister und 4 Mal WM Bronze. Zu einer Medaille bei
Olympischen Spielen hat es trotz fünf Teilnahmen seit 2000 leider nicht gereicht.

Auf Vorschlag des ÖBSV wurde ich 2006 mit dem Goldenen
Verdienstkreuz der Republik Österreich ausgezeichnet.
Landeshauptmann Dr. Josef Püringer hat mir im Rahmen
einer würdigen Feier diese hohe Auszeichnung überreicht.
Manfred Schweizer: Wie viel trainierst du noch immer?
Egon Kramminger: Ich mache ca. 8 – 10 Stunden pro Woche
Servicetraining und versuche, alle Zeit zum Training zu nutzen,
die mein Trainingspartner Marc Piatkowski bzw. meine
Trainer (Klaus Angleitner und Zhang Jie) haben. Das wären
dann nochmals 4 – 6 Stunden. Ich habe nun neue Beläge
aus China und trainiere auch regelmäßig mit Zang Jie, dem
neuen Co-Trainer des Nationalteams von den Nichtbehinderten.
Ich möchte aber bemerken, dass ich mich zu diesen
Trainings auch jetzt, nach etwa 26 Jahren, nicht zwingen muss, es macht mir einfach Spaß.
Sollte dieser einmal vorbei sein, ist es Zeit ans Aufhören zu denken, doch davon ist noch
nichts in Sichtweite.
Manfred Schweizer: Zu den vielen weltweiten Sportveranstaltungen musst du ja fliegen. Wie
geht es dir dabei?
Egon Kramminger: Ja, das Reisen ist nicht mehr so einfach, vor allem aber nicht mehr so
günstig wie früher. Jetzt muss ich bei weiten Flügen auf eigene Kosten ein Upgrade in die
Business Klasse buchen, da ich nicht so lange sitzen darf und dort zwischendurch liegen
kann.
Manfred Schweizer: Was würdest du einem frisch versehrten Querschnittgelähmten mit deiner
Lebenserfahrung raten?
Egon Kramminger: Die oberste Prämisse ist: „Pass auf Druckstellen auf!“
Zweitens: Suche dir eine Sportart aus, die dir große Freude macht und versuche geduldig,
auch darin glücklich zu werden. Es ist für alle Menschen, nicht nur für Behinderte, sehr
wichtig, bei allem was man tut, Geduld und Ausdauer zu entwickeln!
Und drittens: Wenn du kein Sportinteresse hast, überlege, das Interesse, das du vor dem
Unfall gehabt hast, weiter zu pflegen. Die Freunde sind wichtig. Diese Freundschaften
musst du weiter pflegen.
Ich bin zwar kein Arbeitsunfall, aber ich habe erfahren, dass Leute, die nach der Rehabilitation
nicht mehr arbeiten gehen, keiner interessanten Tätigkeit nachgehen oder Hobbys
ausüben und zum Teil nur mehr unglücklich zu Hause leben.

Manfred Schweizer: Erzähle auch etwas von deinen anderen Tätigkeiten.
Egon Kramminger: 31 Jahre lang habe ich einen eigenen Kindergarten geführt und diese Arbeit mit Kindern hat mir enorm viel Freude gemacht. Auch habe ich in dieser Zeit sehr viel gelernt. Ich habe z.B. die letzten vier Jahre für ca. 35 Kinder und 5 Erwachsene gekocht.
Davor habe ich ein Rhetorikstudium am Bruckner Konservatorium in Linz absolviert, war zwei Jahre Rundfunksprecher im Studio OÖ in einer Morgensendung.
Nun plane ich Motivationsvorträge zu machen in Firmen, Banken und Reha-Zentren, wo
immer man meint, etwas von meiner Lebenserfahrung hören zu wollen. Vorausgesetzt ich
finde genug Zeit dazu!
Manfred Schweizer: Herzliche Gratulation zu all deinen Erfolgen und viel Glück bei deinen
weiteren Vorhaben.