Kinder und Jugendliche in einem

INKLUSIVEN Bildungssystem

Begründung: Österreich bekennt sich seit der Unterzeichnung der

UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im Jahr 2008 zu einem INKLUSIVEN Bildungssystem. Dies bedeutet, dass niemand vom gemeinsamen Leben, Lernen und Arbeiten ausgeschlossen werden darf und für jeden Menschen die vollständige Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen sicherzustellen ist. Fünfzehn Jahre nach der Ratifizierung der UN-BRK durch das österreichische Parlament (2008), nach Beendigung der Frist für den Nationalen Aktionsplan Behinderung 2012-2021 (NAP), nach Zwischenberichten zum NAP, nach Evaluierung der Maßnahmen des NAP durch die Universität Wien, nach zahlreichen Rückmeldungen verschiedenster Organisationen muss festgestellt werden, dass sich Österreich von dem Ziel eines inklusiven Bildungssystems bisher eher entfernt als sich diesem angenähert hat. Zahllose Rückmeldungen von Eltern, Betroffenen, Lehrpersonen, Forschenden und lehrenden an den Hochschulen und letztlich auch von Verantwortlichen für das Bildungssystem (siehe auch Rechnungshofbericht 2019) begründen die Forderung nach einem MEHR an Ressourcen für inklusive Bildung.

Inklusive Bildung ist und darf KEIN Sparkonzept sein.

Menschen mit Behinderung brauchen ein inklusives Bildungssystem, die Entscheidungsträger müssen die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen.

• Wenn sich Eltern aufgrund mangelnder inklusiver Angebote zwangsweise für den Unterricht in der Sonderschule entscheiden „müssen", weil dort die Ressourcen vorhanden sind,

• wenn Eltern ständig hören, dass für ihr Kind eine kleine Gruppe in Sondereinrichtungen mit viel Personal die bessere Form ist und daher nur die Sonderschule angeboten wird,

• wenn Eltern beklagen, keinen Kindergartenplatz für ihr Kind mit Behinderung zu bekommen,

• wenn Eltern berichten, dass für die Nachmittagsbetreuung an der Sonderschule die Ressourcen vorhanden sind, in der Regelschule aber nicht,

• wenn Eltern ihre Kinder anstelle der im Lehrplan vorgesehenen 27 Unterrichtsstunden für nur 15 Stunden in die Schule bringen dürfen,

• wenn sich Eltern sorgen müssen, ob deren jugendlichen Kindern ein freiwilliges 11./12. Schuljahr bewilligt wird,

• wenn Schulleitungen und Lehrpersonen berichten, dass für präventive Maßnahmen keine Ressourcen zur Verfügung stehen,

• wenn Eltern für medizinische Versorgung ihrer Kinder in der Schule selbst zahlen müssen,

• wenn keine ausreichende Assistenz in pädagogischen Bereichen zur Verfügung steht,

• wenn in Kindern angelegte Fähigkeiten verkümmern oder sich nicht voll entwickeln können, weil adäquate Förderung kaum möglich ist,

• wenn Regel-Schulen keine Ressourcen für inklusive Schulentwicklungsprozesse haben,

• wenn Gemeinschaft nur schwer wachsen kann, weil Kommunikation nicht unterstützt werden kann, dann MUSS gehandelt werden! - Denn schöne Worte helfen nicht, was hilft sind ausreichende Ressourcen!

Ressourcen sind erforderlich, damit

• ausreichende Lehrer*innenstunden in den Regelschulen zur Verfügung stehen (mit den 2,7% kommen die Schulen schon lange nicht mehr aus),

• das notwendige und von allen Seiten geforderte Supportpersonal vorhanden ist,

• ausreichend Kindergartenplätze, Plätze im 11 . und 12. Schuljahr, die notwendige medizinische Versorgung in der Schule, die Assistenz in pädagogischen Bereichen, ... zur Verfügung stehen,

• Anreizsysteme für Regelschulen geschaffen werden können, sich der inklusiven Bildung zu stellen und inklusive Schulentwicklungsprozesse der Regelschulen forciert werden können,

• präventive Maßnahmen zur Vermeidung von „Lernbehinderung" und „Verhaltensbehinderung" geschaffen werden können,

• für alle Schülerinnen und Schüler die im Lehrplan vorgesehene Stundenanzahl auch tatsächlich in der Schule gehalten werden können und somit den Schülerinnen und Schülern das Recht auf Bildung nicht beschnitten wird,

• anstelle der momentanen Mangelverwaltung die Ziele der UN-BRK umgesetzt werden können.

 

Nützliche Links:

https://steiner-querschnittlaehmung.jimdofree.com/petition-bildung-in-%C3%B6sterreich/

 

https://bidok.library.uibk.ac.at/obvbidoa/content/pageview/6565628?query=bildung

 

 „Der Verzicht auf die Einbindung der Diskussion um Inklusion in ein

gesellschaftstheoretisches Instrumentarium, das auf gesellschaftsanalytische Begriffe von

Gesellschaft, Sozialstruktur, Herrschaft und Hegemonie aufruht, signalisiert den

fehlenden Willen der Disziplin Erziehungswissenschaft, pädagogisch und

bildungspolitische Probleme von einer grundsätzlichen, an ihre Wurzeln gehenden

Argumentationsweise her zu erschließen“ (Bernhard 2015, 117).

„Jeder Versuch, diese Funktionen, denen auch das gesamte Bildungswesen unterliegt, durch eine auf Inklusion gerichtete Schulentwicklung umgehen oder unterlaufen zu

wollen, ist daher zum Scheitern verurteilt. Wer die unter neoliberalen Verhältnissen noch

verschärften Konkurrenz- und Wettbewerbsprinzipien nicht thematisiert, die einer

kapitalistischen Wirtschaftsstruktur immanent sind, kann kaum zu einer realitätsgerechten

Analyse derjenigen Bedingungen gelangen, die die an den jeweiligen Besonderheiten

von Kindern festgemachten negativen Etikettierungen und Separierungsmaßnamen

hervorbringen“ (Bernhard 2015, 115).

 

Ein besonders, für Österreich typisch, schwammiges Gesetz, ist das Schulorganisationsgesetz.

Über 130 Paragraphen regeln das Schulorganisationsgesetz in Österreich.

 

Schulorganisationsgesetz § 6. 

1.         (1) Absatz eins Der zuständige Bundesminister oder die zuständige Bundesministerin hat für die in diesem Bundesgesetz geregelten Schulen Lehrpläne durch Verordnung festzusetzen. Die Bildungsdirektionen sind vor Erlassung solcher Verordnungen zu hören. In den Lehrplänen kann bei Bedarf vorgesehen werden, dass die Bildungsdirektionen zusätzliche Lehrplanbestimmungen zu erlassen haben; für Berufsschulen kann diese Ermächtigung generell, für die anderen Schularten nur in bestimmten Angelegenheiten sowie für den Fall der Aufhebung schulautonomer Lehrplanbestimmungen erfolgen.

 

Inklusionslücke Bildung – Österreich auf dem Prüfstand der UN am 19. Juni 2023 ab 12:30 im ÖGB Catamaran.

https://www.monitoringausschuss.at/sitzungen/inklusionsluecke-bildung-oesterreich-auf-dem-pruefstand-der-un/

Der Besuch einer verschränkten Ganztagsvolksschule. Gemeinsam mit anderen Eltern haben wir vor zwei Jahren eine Petition zur Verbesserung der GTVS ins Leben gerufen, die immerhin knapp 10.000 Stimmen erhalten hat.
In Zusammenarbeit mit der Initiative "Bessere Schule Jetzt" und "Bildung 2.0" wird eine österreichweiter "Aktionstag Bildung", am 15. Juni 2023 stattfinden.

Die aktuelle Diskussion zur Reform des Berufsfelds "Assistenzpädagogen" hat sich erst kürzlich ereignet und war folglich auch nicht in unserem ursprünglichen Fokus. Jedenfalls ist dieser Reformentwurf leider nur ein weiteres Beispiel für die verfehlte Bildungspolitik in unserem Land.  Insbesondere Menschen mit Lernschwierigkeiten werden strukturell in den Bereichen Bildung und Arbeit benachteiligt und ausgeschlossen.

Beratung und Orientierung für ausgrenzungs- und schulabbruchsgefährdete Jugendliche.

Beratung und Unterstützung von ausbildungspflichtigen Jugendlichen

Im Sinne der Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr setzt sich die Maßnahme Jugendcoaching zum Ziel, Schülerinnen und Schüler möglichst lange zu einem Schulbesuch beziehungsweise zu einem qualifizierten Abschluss zu motivieren.

Schulorganisationsgesetz Artikel V (BGBl. Nr. 323/1975, zu BGBl. Nr. 242/1962)

Für das Bundes-Blindenerziehungsinstitut in Wien und das Bundesinstitut für Gehörlosenbildung in Wien wird in Abweichung vom II. Hauptstück Teil A als unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht bestimmt. Und das nennt die Regierung Inklusion im Sinne der UNBRK in der Bildung. Es gibt auch keine Sonderschulen für dicke oder dünne Kinder.

 Für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf besteht auch an inklusiven Regelschulen – nur mit Zustimmung des Schulerhalters und der zuständigen Schulbehörde – die Möglichkeit, ein freiwilliges 11. und 12. Schuljahr zu absolvieren.

Schulorganisationsgesetz: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10009265

Nach Absolvierung einer der über 300 Sonderschulen in Österreich:

So kann es weitergehen: Billige Arbeitskräfte, die in den Behindertenwerkstätten der Wohlfahrtsorganisationen für Gewerbe und Industrie Arbeiten verrichten müssen und mit einem Taschengeld von 40 Euro im Monat abgespeist werden. Die Selektion im Schulsystem führt zwangsläufig dazu, dass vielen Kindern die Chancengleichheit vorenthalten wird.

Nach der Sonderpädagogik / inklusiven Bildung gibt es unter anderem folgende Möglichkeiten für die Jugendlichen: Absolvierung des Berufsvorbereitungsjahrs als 9. Schulstufe zur Vorbereitung auf die Arbeits- und Berufswelt. Danach kann im Rahmen der Individuellen Berufsausbildung gemäß § 8b BAG (Teilqualifikation/Lehre in verlängerter Lehrzeit) eine Lehre angefangen werden.

 

Über einen Bachelor-, Master/Diplom- bzw. Doktorabschluss verfügen in Österreich dagegen nur 17 Prozent (OECD: 30 Prozent).11.09.2018

Menschen mit Behinderung die über einen Bachelor-, Master/Diplom- bzw. Doktorabschluss verfügen gibt es in Österreich dagegen keine Statistiken.

Bildungsausgaben: Österreichs Bildungsausgaben gemessen an der Wirtschaftsleistung lagen 2015 knapp unter dem OECD-Schnitt

Bildungsniveau: In Österreich verfügen 15 Prozent der 25- bis 64-Jährigen höchstens über einen Pflichtschulabschluss (OECD: 22 Prozent).

Klassengröße: 2016 saßen in Österreich im Schnitt in der Volksschule 18 Kinder in einer Klasse (OECD: 21)

Ausgaben pro Schüler/Student: In Österreich betrugen diese 2015 (letzte verfügbare Zahlen) von der Volksschule bis zur Hochschule kaufkraftbereinigt pro Kopf durchschnittlich 13.688 Dollar (11.800 Euro).

Anzahl der Schüler:innen 2021  1,139.066

Anzahl der Studierenden in Österreich 2021  391.644

 

 

Kindergarten, Schule Inklusion

Zusammenfassung für den deutschsprachigen Raum

von T.J Veit

Die Vielfalt der heute allein im deutschsprachigen Raum diskutierten und praktizierten Konzeptionen der Bemühungen um Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtskonzepte für Kinder mit und ohne Behinderung und Migrationshintergrund, die unter dem Begriff der „Integration” firmieren, sind derart vielfältig, dass nur die Schlussfolgerung sinnvoll erscheint, dass, was Integration in diesem Sektor genannt wird, beliebig sei.

Dabei ragen besonders folgende Momente heraus: • Kinder und Schüler werden je nach der Art und dem Schweregrad ihrer ihnen attestierten „Behinderung” für die Integration selektiert.

• Die Integrationskonzeptionen berühren eine strukturelle Veränderung der Kindergärten so wie der Regelschule praktisch nicht. Sie wird allenfalls optimiert und bleibt vertikal-hierarchisch gegliedert und selektierend.

• Folglich sollen es die Sonderpädagogen mit den behinderten Kindern und Schülern in Regelklassen ‘richten’, was zur „Schäferhundpädagogik” führt - d.h. begrenzen, abrichten, trainieren hinsichtlich der vorgegebenen Lernziele und sozialer Verträglichkeit.  Didaktisch wird der Heterogenität der Kinder und Schülerschaft praktisch nicht entsprochen. So wird mit den Mitteln des selektiven Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtssystems „Integration” praktiziert aber keine Inklusion , was ihr Anliegen negiert und sie zur modernistischen Bestandsgarantie des selektierenden und segregierenden Bildungssystems degradiert.

Integration ist, ob es einen gefällt oder nicht, unteilbar - eine noch lange nicht begriffene conditio sine qua non ( unabdingbare Voraussetzung ) für eine „Allgemeine Pädagogik”, die nur mittels einer „entwicklungslogischen Didaktik” (Feuser 1989, 1995) zu realisieren ist und in den Feldern der Pädagogik „Inklusion” zu ermöglichen vermag. Allein daraus ergibt sich für das an der Pädagogischen Hochschule angesiedelte ‘Büro für Inklusive Bildung’ zum einen das zentrale Kriterium der Bestimmung qualitativer Integration und zum anderen ein doppelter Auftrag. Das Qualitätskriterium bezieht sich, wie ich das schon in vielen Zusammenhängen skizziert habe, darauf, gegen die im selektierenden und segregierenden System wirksamen Momente seiner Selbstreproduktion auf der Ebene des Menschen- und Behinderungsbildes, der Unterrichtsorganisation und der didaktischen Reflexion und Konzeption Gegenkräfte zu entfalten.

Dies auf dem Hintergrund der einfachen Überlegung, dass mit den Wirkkräften, die zur Selektion, Aussonderung und Segregation in Sondersysteme führt, nicht dessen Gegenteil hervorgebracht werden kann, die Inklusion, auch wenn wir diesen Prozess mit dem Begriff der Integration bezeichnen.


Der doppelte Auftrag, der aus meiner Sicht wahrzunehmen wäre, richtet sich im Sinne eines qualitätsorientierten und wissenschaftlichen Kriterien verpflichteten Auftrags. Das könnte

a ) die Funktion sein, netzwerkbasiert Informationen über Entwicklungen in Theoriebildung und Praxis abrufbar zur Verfügung zu stellen aber auch zielgruppenspezifisch auszusenden; es muss, verkürzt gesagt, nicht überall das Rad neu erfunden werden. Das könnte

b) aber auch ein abrufbares Angebot der Evaluation laufender Inklusionsbemühungen sein, wobei beide Momente den Qualitätsstandards verpflichtet sei müssten. Nach Innen, das meint in die Hochschule hinein, könnte ein ‘Büro für Inklusive Bildung’

(a) eine inklusive Lehrerbildung innervieren, die von der ‘Frühkindlichen Bildung’ ausgeht und schulstufen- und schulformübergreifend alle Angebote des Hauses bis hin zur Berufs- und Erwachsenenbildung zusammenführt und dazu Inservice leisten und

(b) eine Brückenfunktion zwischen Hochschule und den Bildungsinstitutionen der Regionen wahrnehmen, u.a. auch, um das gespaltene Theorie-Praxis- bzw. Wissenschafts-Handlungsverhältnis endlich vom Kopf auf die Beine zu stellen und dafür Sorge zu tragen, dass die angehenden Sozialpädagogen, Lehrerinnen und Lehrer studienbegleitende Praxisfelder haben, die den Kriterien einer qualitätsvollen Inklusion entsprechen. So, wie Adorno betont, dass es kein richtiges Leben im Falschen gibt, kann in Feldern selektierender Integration (was sich ja begrifflich verbietet, aber in der Praxis noch immer überwiegende Realität ist) keine inklusionsrelevante Ausbildung stattfinden, sondern nur das alte System reproduziert werden durch junge Leute, die die nächsten 40 Jahre dann dafür sorgen, dass sich nichts ändert. Gestatten Sie mir bitte diese Hinweise, mit denen ich sehr bewusst von »Lehrerbildung« gesprochen habe, von der ich »Lehrerausbildung« in dem Sinne unterscheiden möchte, dass sie auf der Basis des Allgemeinen, das die humanwissenschaftlichen Grundlagen des Erfordernisses der Inklusion  auch hinsichtlich des Menschen- und Behinderungsbildes in subjektwissenschaftlicher Orientierung umfassen sollte, die Spezifizierung der zu erwerbenden Kompetenzen hinsichtlich späterer Tätigkeitsfelder im gesamten institutionalisierten Bildungssystem zu leisten hätte. Die Fort- und Weiterbildung, die eine weitere Funktion eines ‘Büros für Inklusive Bildung’ sein dürfte, müsste beide Komponenten integrativ anbieten: Lehrerbildung und -ausbildung.

 Diesen Zusammenhängen kommt in Anbetracht des Doppelcharakters von Bildung eine große Bedeutung für alle jene zu, die über Erziehung, Bildung und Unterricht lehren, sie organisieren und durchführen; sie ist geradezu bewusstheitspflichtig. Sie zeigen sich in einer historisch gesellschaftlichen Dimension einerseits als Notwendigkeit zur Schaffung und Erhaltung von Kultur und mithin als von den gesellschaftlichen Widersprüchen und Machtverhältnissen durchdrungenes Angebot an alle, die Gesellschaft konstituieren, auch wenn andererseits der Vollzug von Bildung, wie v. Hentig (1996) verdeutlicht, nur als Akt eigenaktiver Tätigkeit sich ereignen kann, was er in der Setzung ausdrückt: „Bilden ist sich bilden” . In seiner »Theorie der Halbbildung« schreibt Adorno (1998, Bd 8): „Denn Bildung ist nichts anderes als Kultur nach der Seite ihrer subjektiven Zueignung” . Gegen die, wie er feststellt, bemerkbaren Symptome des Verfalls von Bildung auch in der Schicht der als gebildet geltenden selber - er spricht von der „Allgegenwart des entfremdeten Geistes” als Folge sozialisierter Halbbildung, helfen isolierte pädagogische Reformen nicht.

Er fordert: „Bildung sollte sein, was dem freien, im eigenen Bewusstsein gründenden, aber in der Gesellschaft fortwirkenden und seine Triebe sublimierenden Individuum rein als dessen eigener Geist zukäme”.

[Nehmen wir zur Frage der Bildung seine Aussage hinzu: „Die Forderung, dass Ausschwitz etc. nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung” , mit der er seine Arbeit „Erziehung nach Auschwitz” von 1966 einleitet, die er mit einer »Erziehung zur Mündigkeit« verbindet, dürfte deutlich werden, dass wir beides, Erziehung und Bildung in ihrer Bedeutung für Gesellschaft und Kultur wie gleichwohl in ihrer Notwendigkeit für die menschliche Persönlichkeitsentwicklung nicht durch Selektion, Ausgrenzung und Segregierung in gesellschaftlichen Ghettos realisieren können, die von der Teilhabe an den gesellschaftlichen Gütern und Kultur isolieren, einen pädagogischen Bildungsreduktionismus betreiben, den sozialen Verkehr minimieren oder aufheben und schließlich von der eigenen Geschichte entfremden und in Folge - bei gravierenden Bedingungen innerer und äußerer Isolation - die Betroffenen in autokompensatorische Handlungsweisen zwingen, d.h. ihre vermeintliche Pathologie erst begründen.

In einer sich aus der sozialen Verantwortung entbindenden, Gemeinsinn zerstörenden und die individuelle Selbstverwirklichung und Bereicherung schamlos auf Kosten anderer und der Ärmsten betreibenden, durch Globalisierungsmechanismen hinsichtlich von Ursache, Bedingungen und Wirkung nicht mehr fassbaren Welt wäre es eine Illusion zu glauben, es gäbe einen widerspruchsfreien, nicht von Fehlentwicklungen und Irrtümern gepflasterten Weg aus der Selektion zur Inklusion, den ich mit Integration bezeichne. Für diesen gilt, was Adorno (1997) in seiner negativen Dialektik wie folgt formuliert: „Wer für Erhaltung der radikal schuldigen und schäbigen Kultur plädiert, macht sich zum Helfershelfer, während, wer der Kultur sich verweigert, unmittelbar die Barbarei befördert, als welche Kultur sich enthüllte”, eine Aussage, die Gerd Kadelbach im Vorwort zur „Erziehung zur Mündigkeit” (1971, ) zitiert.. Das lässt auch an eine Arbeit des Philosophen Hans Heinz Holz über das Werk von Walter Benjamin (1892-1940) denken, dem er den Titel gab: „Philosophie der zersplitterten Welt” (1992). Eine der geschichtsphilosophischen Thesen Benjamins, die VII. These, die in der vierten Abhandlung analysiert wird, findet sich auch auf dessen Grabstein. Sie lautet „Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein”.
Das verdeutlicht in besonderer Weise das Dilemma der Integration: Sie muss ihr Ziel der Inklusion ausgehend von dem genauen Gegenteil dessen, was erreicht werden soll, leisten und ist das geleistet, sich selbst in der Inklusion aufheben. Das bedarf eines Verständnisses von Integration als Prozess der Transformation eines auf die gleichberechtigte und gleichwertige Teilhabe aller an Bildung für alle orientierten erziehungswissenschaftlichen Erkenntnisstandes in die pädagogische Praxis einer „Allgemeinen Pädagogik”.
Es dürfte ein besonderes Anliegen eines ‘Büros für Inklusive Bildung’ sein, dieses bewusst zu machen und ein zentrales Moment, das die Inklusionsbemühungen als qualitätsvolle auszeichnen.

Die Eröffnung eines ‘Büros für Inklusive Bildung’ dürfte ein weiter Schritt auf diesem Weg sein in der langen, erfolgreichen, aber noch keineswegs befriedigenden oder gar abgeschlossenen Geschichte der Integration/ Inklusion, an deren Anfänge ich aus diesem Anlass hier erinnern möchte auch unter dem Aspekt, dass die heute entpolitisierte Integrationsbewegung wieder zu deutlicher politischer Artikulation ihrer Anliegen zurückfinden muss.

In Bremen hat man über 12 Jahre in der Freien und Hansestadt Bremen die Möglichkeit, die ungeteilte Integration von Kindern und Jugendlichen in Kindergarten und Schule bis in die Sekundarstufe I hinein initiiert und grundlegend, wissenschaftlich begleitete. Eine Integration, die dem Ziel eines inklusiven Kindergartens und einer inklusiven Schule gerecht wurde. Dies unter anderem insofern, als kein Kind wegen Art und Schweregrad seiner Behinderung vom Besuch des Kindergartens und der Schule seines Wohngebiets ausgeschlossen wurde; der hohe Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund und folglich anderer Kultur, Sprache, Religion und Nationalität selbstverständlich eingeschlossen. Eine Integration, die den Weg der Selektion und nachfolgenden Ausgrenzung mit der Konsequenz der Segregierung in Sondersysteme konsequent verlassen hat und sich in einer inklusiven Kindergarten- und Schulgemeinde aufhob.
Ich denke nicht, einer Paranoia verdächtigt zu werden, wenn ich allerorts selbst unter der Firmierung »Integration« vor allem für Kinder und Jugendliche mit schweren Beeinträchtigungen und tiefgreifenden Entwicklungsstörungen und für solche, die in besonderer Weise ‘herausfordernde Verhaltensweisen’ zeigen, die Beibehaltung ihrer Sonderbeschulung beobachten muss.

Der so genannte „harte Kern”, musste stets und immer, oft lebenslang, in Sondereinrichtungen verbleiben und blieb in diesen noch bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts hinein von Bildungsangeboten überwiegend ausgeschlossen.

Sie galten als „idiotisch” und wurden für lernunfähig gehalten. Als dieses widerlegt war, galten sie als bildungsunfähig. Nachdem schließlich auch dieses als Vorurteil entlarvt und widerlegt werden konnte, bezeichnete man sie als „schulbildungsunfähig”, um sie weiterhin von schulischer Bildung ausgeschlossen halten zu können.

Diese Etikettierungen legitimierten sich, wie angenommen wurde, in ihnen innewohnenden, biologisch verankerten, genetisch oder hirnorganisch bedingten Eigenschaften, die als ihre Behinderung angesehen wurde. Es brauchte Jahre, die der Vernichtung durch die Euthanasie-Morde und rassistischen Vernichtungsmaßnahmen Entkommenen oder die nach der Befreiung Deutschlands durch die Alliierten 1945 weiterhin in psychiatrischen Abteilungen und in Landeskrankenhäusern hospitalisierten Menschen ‘aus dem Dunkel ans Licht zu holen’ und nachzuweisen, dass sie lernfähig, bildungsfähig und schulbildungsfähig waren.

Der empirisch sichtbare Nachweis der Lern und Bildungsfähigkeit konnte nur dadurch erbracht werden, dass, wie das auch an der Sonder-Schule der Fall war, entgegen den bestehenden Rechtsregelungen und Einschulungsvoraussetzungen des Bundeslandes diese Kinder und Jugendlichen in die Sonder-Schule aufgenommen wurden. Damals - und deshalb berichte ich das hier - hörte man die gleichen Argumente gegen die Einführung einer Schulpflicht für alle Kinder, also auch für solche mit schwerst-mehrfachen oder, wie es heute heißt, intensiven Behinderungen, schwerem Autismus und z.B. aggressiv-destruktiven Verhaltensweisen, die auf dem vorliegenden humanwissenschaftlichen Erkenntnisstand als kompensatorische Folgen ihrer hochgradigen sozialen Isolation und bildungsmäßigen Verelendung zu erklären sind, wie ich sie heute gegen die Integration dieser Kinder in die Regelschulen im Sinne der Schaffung einer inklusiven Schule höre.
Diese Verhinderungsargumentationen stehen in einer ungebrochenen Kontinuität der Biologisierung und Naturalisierung dessen, was Behinderung sei, in der Kontinuität sich geradezu als rassistisch gebärdender Ausgrenzungsmechanismen, durch die das Schulsystem die Funktion eines ständisch orientierten, schicht- und nationalitätenspezifisch Privilegien sicherndes Vergabesystem gesellschaftlicher Zuweisungen von Teilhabe an Arbeit und Kultur effizient steuert und nachhaltig sichert, was einer demokratisch verfassten Gesellschaft nicht nur nicht würdig ist, sondern geächtet werden müsste.

Die Integration jener, die als »integrationsfähig« angesehen werden, verläuft getreu dem Prinzip „divide et impera”, des „Teile und herrsche” als Strategie, das im humanen und demokratischen Begehren nicht mehr zu unterdrückende Anliegen der Integration als Realisierung eines Menschenrechts auf uneingeschränkte Teilhabe an Gesellschaft und Kultur, mithin auch an Bildung, partiell zuzulassen, wenn es noch mit den Outputnormierungen des Bildungssystems einigermaßen konform ist und sie dort zu unterbinden, wo es der strukturellen Veränderung des bestehenden Regelsystems bedarf.

Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, die Frage der Integration, Inklusion und Partizipation hat sich längst zu einer Menschenrechtsfrage entwickelt, die pädagogisches Dafür- oder Dagegenhalten nicht außer Kraft setzen kann, sondern die seitens der Pädagogik im Grunde nachgeordnet umzusetzen und zu vollziehen ist. Schon auf dieser Ebene ist nicht mehr hinzunehmen, dass ein Lehrerkollegium für oder gegen Integration im Allgemeinen abstimmen kann oder darüber bestimmt, welches Kind inklusiv unterrichtet wird oder eben nicht, wie das in Österreich und Deutschland bezüglich der Kinder und Schüler des „harten Kerns” geradezu automatisch der Fall ist.

Die Humanisierung und Demokratisierung des Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtssystems, die Kern dessen sind, was pädagogische Bemühungen als »Reformpädagogik« legitimieren, stehen im Gesamt ihrer Geschichte mit revolutionären Veränderungen, mit Widerstand gegen Knechtung, Ausbeutung und Entmündigung, mit Bemühen um Mündigkeit, Selbst- und Mitbestimmung in Zusammenhang und haben ihre Wurzeln 1789 in der französischen Revolution und in der in Paris verkündeten Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte.

Sie stehen heute in gleicher Weise im Brennpunkt der Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems; eine große reformpädagogische Bewegung der letzten dreieinhalb Jahrzehnte im deutschsprachigen Raum, die, wie mit dem Film „Gesetz statt Gnade - Der mühsame Weg zur Integration” über die Spanne von 1983-1993 dokumentiert, von Eltern initiiert und getragen in ihren Anfängen z.B. den Dimensionen der Friedensbewegung in Deutschland und Österreich nicht nachstand.

Im Grunde bringt schon Rousseau auf den Punkt, um was es geht, wenn er im „Emile” fordert: „Menschen seid menschlich; dies ist eure erste Pflicht! Seid es gegen alle Stände, gegen jedes Alter, gegen alles, was dem Menschen nicht fremd ist. Was für Weisheit gibt es für euch außer der Menschlichkeit?” (1979,  und im Contrat Social: „Finde eine Form des Zusammenschlusses, die mit ihrer ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes einzelnen Mitglieds verteidigt und schützt und durch die doch jeder, in dem er sich mit allen vereinigt, nur sich selbst gehorcht und genau so frei bleibt wie zuvor” (1977, S. 17).

Die heute in einer für die deutschsprachigen Länder abgestimmten Übersetzung vorliegende „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen”, auch als Behindertenrechtskonvention tituliert, ist ein Meilenstein in der Behindertenbewegung und der Behindertenpolitik (auch wenn sie in Deutschland politisch gewollt falsch Übersetzt wurde). Sie dürfte allerdings in Sachen eines inklusiven Bildungssystems in einer ersten Phase nur mittelbar und unterstützend wirksam werden.  Gleichwohl anerkennt sie im Artikel 24 das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung in einem inklusiven Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslang.
Dabei ist in den deutschen Übersetzungen begrifflich von Integration (politisch gewollt) und nicht von Inklusion, also vom Weg die Rede, aber nicht vom Ziel einer nicht mehr aussondernden Schule für alle - was deutlich zeigt, was in diesem Kultur- und Sprachraum nicht gewollt wird.

Der § 12 regelt unter der Überschrift „Gleiche Anerkennung vor dem Recht”, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigte Rechtssubjekte sind (Abs. 1 und 2), ihnen Unterstützung in der Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit zu gewähren ist (Abs. 3) und in Abs. 5, „dass Menschen mit Behinderungen das gleiche Recht wie andere haben, Eigentum zu besitzen oder zu erben, ihre finanziellen Angelegenheiten selbst zu regeln und gleichen Zugang zu Bankdarlehen, Hypotheken und anderen Finanzkrediten zu haben, und dass die Vertragsstaaten  gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen nicht willkürlich ihr Eigentum entzogen wird” (2009, S. 16). Dieser für die Anerkennung von Rechten bedeutendste Paragraph der Konvention sieht ein Recht auf gleiche Bildung nicht vor und das leistet auch der § 24, Bildung, in einer dem § 12 vergleichbaren Form nicht. Was hier unter »integrativ« verstanden wird, wie ein solches Bildungssystem auszusehen und welchen Standards es zu genügen hat, wird nicht bezeichnet. Damit bleiben den alten Beliebigkeiten nach wie vor Tür und Tor geöffnet. Die Begründung und Legitimierung des Fortbestehens von »Maßnahmen» möglicherweise eben auch der „Sonderbeschulung” z.B. für schwerer geistig- und mehrfach Behinderte, für tiefgreifend entwicklungsgestörte Kinder und Jugendliche und solche mit „herausfordernden Verhaltensweisen” dürfte leider auch angesichts der Konvention kein besonderes Problem sein, auch wenn der § 12 im Absatz 4 fordert, dass „die Maßnahmen verhältnismäßig und auf die Umstände der Person zugeschnitten sind, dass sie von möglichst kurzer Dauer sind und dass sie einer regelmäßigen Überprüfung durch eine zuständige, unabhängige und unparteiische Behörde oder gerichtliche Stelle unterliegen” . Leider wird genau diese Interpretation ausgenutzt um »Sondermaßnahmen« nicht prinzipiell auszuschließen . Hier haben sich Politik und Betreiber der Ausgrenzenden Einrichtungen geeinigt das sie das System erst einmal schützen.
Die Wurzeln der Behindertenrechtskonvention reichen in das internationale Jahr der Behinderten 1981 zurück. Trotz des langen und schließlich erfolgreichen Weges bis zu ihrer Verabschiedung, sollte man die Augen nicht davor verschließen, welcher Geist durch den zentralen Artikel des § 12 weht; der von finanziellen Angelegenheiten, von Bankdarlehen, Hypotheken und Finanzkrediten, aber nicht der eines inklusiven Bildungsweges. Es gibt keine Linearität der Wirkungsweise einer unbenommen hochbedeutenden internationalen Vereinbarung hinsichtlich ihrer nationalen Umsetzung, noch dazu, wenn föderale Strukturen einer Bildungshoheit geradezu als sakrosankt gelten - von einer direkten Einklagbarkeit inklusiver Bildung als Persönlichkeitsrecht erst einmal ganz zu schweigen. In einer zweiten Phase, deren Beginn ich mir unmittelbar wünsche, wird es darum gehen, mit Hilfe der nationalen Monitoringstellen über Musterprozesse, die Erziehungsberechtigte zu führen hätten, das mit der Konvention gegebene personale Recht auf Inklusion durchzusetzen. Es ist nicht anzunehmen, dass sich dieses sozusagen automatisch einstellt, auch wenn Rechtsgutachten, die seitens des Elternverbandes „Gemeinsam Leben, Gemeinsam lernen” und des „Sozialverbandes Deutschland” darauf verweisen, dass eine Zuweisung zur Sonderschule gegen den erklärten Willen von Kindern und Eltern schon jetzt nicht mehr zu dulden sei. Ich spreche der UN-Konvention nicht ab, eine gute Brise Wind zu sein, die das Boot Integration kräftig voranzutreiben vermag, um den Hafen der Inklusion erreichen zu können; aber die Segel müssen auf den Booten gesetzt werden, d.h. von uns in den Regel- und Sonderschulen und Ausbildungsstätten! Worauf soll denn noch gewartet werden - auf die nächste Konvention? Wenn Integration heute als Menschenrecht erkannt und bewertet wird, müssen die notwendigen politischen Maßnahmen ergriffen werden, damit „die Herrschaft der Schnellsten, Klügsten und Skrupellosesten beendet und durch die Herrschaft des Rechtes” ersetzt wird, wie Bauman in seinem Werk über die ‘Ausgegrenzten der Moderne’, das er mit dem Titel „Verworfenes Leben” 2005,  versieht, im Kapitel »Abfall der Globalisierung« schreibt.

Die diversen Sozialwelten, in denen wir leben, haben mittels ihrer Macht- und Kapitalstrukturen - bezogen auf das, was wir Gesellschaft nennen - soziale Felder und Spiel-Räume geschaffen und unterhalten diese, aus denen sie sich selbst schöpfen - so vor allem das Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtssystem. Man könnte dieses im Sinne Bourdieu’scher Kategorien als eine Struktur verstehen, die ihrer Funktion nach als ein Feld der Transformation von wesentlich der Herkunftsfamilie entstammendem ökonomischen und schon vorhandenem sozialem Kapital in kulturelles, hier vor allem in Bildungskapital und in symbolisches Kapital bezeichnet werden kann, das seinerseits wiederum das soziale und kulturelle Kapital und vor allem die dahinterstehende und damit verbundene Macht mehrt.

Diese Prozesse umfassen heute durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im Sinne eines life-long-learning die gesamte Lebensspanne.
Zur Optimierung dieser Transformationsleistungen hat das Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtssystem eine ihm eigene und für es typische Organisationsstruktur hervorgebracht, die im Prozess seiner Institutionalisierung eine Funktions- und Strukturlogik der Exklusions- und Inklusionsprozesse vom regelpädagogischen in das Parallelsystem der Heil- und Sonderpädagogik reguliert und steuert.

Humankapital: Damit konnte einerseits dem Begehren demokratischer Kräfte auf Bildung für alle dem Anschein nach entsprochen werden, ohne den Reproduktionsmechanismus feudalistischer Machtverhältnisse aufzugeben. Entsprechend akkumuliert im sog. ‘Humankapital’ nicht nur die Produktion kulturellen und symbolischen Kapitals, sondern auch die Produktion und Reproduktion sozialer Ungleichheit - dies in totalem Widerspruch zur demokratischen Verfasstheit unserer Gesellschaften, der aber für „normal” gehalten wird.

Die verschleiernde Decke darüber wird z.B. mit den Begriffen der »Chancengleichheit« und »Bildungsgerechtigkeit« verziert; es ließen sich noch eine ganze Reihe anderer wohlklingender Bezeichnungen nennen, die diesbezüglich nur Schall und Rauch sind. Durch die Inklusion des Personenkreises, der in Sonderschulen »gefördert« wird, zu großen Anteilen in den Sonderarbeitsmarkt bzw. in die Heim- und Arbeitswelt der Behindertenfürsorge, bleibt dieser dem Kreislauf der Produktion von „Humankapital” im Prozess funktionaler Differenzierung der Gesellschaft wirksam entzogen, die dadurch hinsichtlich der Kosten-Nutzen Balance sehr ausgewogen bleiben kann.

Das exkludiert diesen Personenkreis, wie das in einer funktional differenzierten Gesellschaft für das gesamte Prekariat der Fall ist, aus dem Prozess permanent wechselnder Teilsysteminklusionen eines »bürgerlichen« Alltags oder, anders gesagt, es entzieht Menschen dem Prozess der exklusions-inklusionsgenerierten Systemwechsel, die den daran gekoppelten Kompetenzmerkmalen, Qualifikationsprofilen und Verhaltenscodices nicht entsprechen. Sie werden sozusagen immobilisiert und in extrem wenigen Systemen (z.B. in einem Wohnheim, in der Werkstatt für Behinderte, in psychiatrischen Abteilungen) auch räumlich fixiert, geradezu eingefroren. Aus dieser Perspektive kommt der Begriff der „Totalen Institution” (Goffman 1973) in neuer Weise zum Tragen. Was den so total Inkludierten vorenthalten wird, ist die Möglichkeit der Exklusion (!) und dadurch die Möglichkeit ihrer selbstbestimmten bzw. assistierten Integration in Felder der Partizipation an Kommunikation (z.B. in Feldern des Konsums, der Kultur, von Bildung), die Gesellschaft konstituiert. Luhmann versteht Gesellschaft als umfassendes Sozialsystem im Sinne der Gesamtheit aller erwartbaren Kommunikationen und soziales Geschehen als selbstreferentieller Prozess der Erzeugung von Kommunikation durch Kommunikation. Folglich ist zu klären, wie durch Teilhabe an Kommunikation zur Kommunikation befähigt und durch diese Befähigung wiederum die Teilhabe an Kommunikationen ermöglicht werden kann. Inklusion, so Luhmann, erreicht, wer kommunizieren kann, was man kommunizieren kann (1990 ) Was man kommunizieren kann, hängt von den Erwartungsstrukturen sozialer Systeme ab und wer es kommunizieren kann, hängt von den Zugangsbedingungen zu bestimmten sozialen Zusammenhängen, z.B. zu Bildung ab, wie Kneer und Nassehi ergänzend schlussfolgern.

Damit verweise ich auf das durch die Parallelität von Regel- und Heil- und Sonderpädagogik charakterisierte Binnensystem des Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtssystems. Ersteres exkludiert jene, die den Bildungsstandards nicht entsprechen oder zu entsprechen vermögen, die heute auch mit Bezug auf die ICF6 Urstände feiern und letzteres verhindert durch Akte totaler Inklusion der Betroffenen Exklusionen und damit auch die Partizipation am Regelsystem der Bildung. Diese Partizipation hat, wie deutliche werden dürfte, nicht nur die Exklusion aus Sondersystemen, sondern auch den Verzicht eine Schulform und -typen bezogenen Bildungsreduktionismus zur unabdingbaren Voraussetzung. Sehr deutlich dürfte dabei sein, dass die zirkuläre, sich selbst reproduzierende Verstrickung von Exklusion und Inklusion zwischen den beiden pädagogischen Domänen für den Prozess der Inklusion  mit zweierlei verbunden ist: Zum einen mit der Synthese beider Systeme, die referenziell zu einem heute möglichen human- und erziehungswissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer „Allgemeinen Pädagogik” emergieren können und die zum anderen mittels einer „entwicklungslogischen Didaktik” in vielfältigen Lernfeldern - diese sind Sozialwelten - die Partizipation aller an Kommunikationen ermöglichen (Feuser, 2008a). Diese wiederum ist unverzichtbare Voraussetzung der Befähigung zu Kommunikation. Die Bemühungen richteten sich heute aber noch immer in der Spanne von der Statusdiagnostik über die Förderdiagnostik bis hin zur Feststellung eines „sonderpädagogischen Förderbedarfs” auf Maßnahmen technischer Bewältigung der Realität von Inklusion und Exklusion. Übereinstimmend damit schreibt Castel (2000): „Bei den sichtbarsten Folgen einer sozialen Dysfunktion zu intervenieren scheint leichter und realistischer zu sein, als den Prozess unter Kontrolle zu bringen, der sie auslöst; um die Folgen kann man sich nämlich in technischer Weise kümmern, während die Beherrschung des Prozesses eine politische Behandlung des Problems erfordert” (S. 18). Sind wir, so wäre in Begriffen Basaglia’s zu fragen, als Professionelle im Feld von Pädagogik und Therapie im bestehenden selektiven und segregierenden Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtssystem nicht längst zu „Technikern des praktischen Wissens” geworden, die zur Wahrung gesellschaftlicher Ausgrenzungsinteressen im Grunde „Befriedungsverbrechen” begehen (Basaglia-Ongaro & Basaglia, 1980)? ''

 Was braucht der Mensch?
Ich erinnere: Wir stellten heraus, dass es mit Integration im Feld der Pädagogik um Bildung geht, der im Sinne uneingeschränkter Partizipation an Kultur und Kommunikation ein im eigenen Bewusstsein gründender eigener Geist zukommt und mit Erziehung, wie ich sie definiere, um die Ausbildung des Bedürfnisses des Menschen nach dem Menschen und auf dieser Basis um die Strukturierung der Tätigkeit des Menschen mit dem Ziel größter Realitätskontrolle. Die Widersprüche und Machtverhältnisse, in die eine darauf orientierte Pädagogik verwickelt ist, lassen sich im Sinne einer subjektwissenschaftlichen Pädagogik nur in der Antwort auf die Frage aufheben: Was braucht der Mensch? Die zu gebende Antwort müsste der Kondensationskern pädagogischen Handelns sein, der die Qualität der Integration auf dem Weg zur Inklusion qualifiziert. Wir können eine Antwort finden, wo wir sie nicht vermuten. Sie wird im Film „Ursula - oder das unwerte Leben”7 ,der im Mai 1966 fertiggestellt wurde, aber in noch davor liegende Jahre zurückreicht, aufgeworfen.

Die Antwort, die gefunden werden kann, ist eine zutiefst menschliche. Sie lautet: „Zuwendung, Anerkennung, Geltung, sinnvolle Beschäftigung und Liebe”. Ich möchte hier auf eine kleine Sequenz aus diesem Film zurückgreifen, dessen Texte von Helene Weigel (1900-1971) gesprochen werden und der die Arbeit von Mimi Scheiblauer (1891-1968) würdigt, die die Rhythmik in der Heilpädagogik etabliert hat und in zentralen Anteilen auf ihren Erstkontakten mit z.T. schwer beeinträchtigten und lang hospitalisierten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen basiert, deren „Behinderung” in ihrem Ausschluss von der Teilhabe am sozialen Verkehr, von Bildung und Kultur und durch ihre totale Inklusion in sie verwahrende Anstalten und Heime, mithin in einer hochgradigen Isolation zu suchen ist - in der Vorenthaltung zu kommunizieren, was kommuniziert werden kann - und nicht in ihrer Person. Gewidmet ist der Film Heinrich Hanselmann (1885-1960), der 1931 an der Universität Zürich den ersten universitären Lehrstuhl für Heil- und Sonderpädagogik in Europa, ein Extraordinariat, übernommen hatte.

Es ist die vornehmste Aufgabe qualitätsvoller Integration, von der Wirklichkeit ausgehend, in pädagogischen Feldern, die den herausgearbeiteten Kategorien entsprechen, Möglichkeitsräume zu schaffen, in denen sich realisieren kann, was der Möglichkeit nach aus einem Menschen werden kann - sich Inklusion zu ereignen vermag. Sie wird nie sein, sondern immer nur werden können. Was bleibt zu resümieren? Eigentlich nur ein Wort. Auf einer großen Tagung der Elternvereinigung „mittendrin e.V.” vom März d.J. an der Universität zu Köln hat der Juraprofessor, Pädagoge und Philosoph Vernor Muñoz, seit 2004 unabhängiger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung, das Eröffnungsreferat gehalten und ausgeführt, dass es eigentlich ganz, ganz wenig ist, das verändert werden müsste, um eine inklusive Schule zu realisieren, nämlich: „alles!”